Das wundersame Comeback von Pedro Sánchez

Totgeglaubte leben länger. Das beweist Pedro Sánchez, der jetzt zwei Wochen im Amt des spanischen Ministerpräsidenten ist.

Ute Müller Madrid
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Spaniens neuer Ministerpräsident Pedro Sánchez. (Bild: Francisco Seco / AP)

Spaniens neuer Ministerpräsident Pedro Sánchez. (Bild: Francisco Seco / AP)

Viele Spanier kennen ihren neuen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez, der vor zwei Wochen die Regierung übernommen hat, nur in einer braunen Lederjacke. Sie wurde zu seiner zweiten Haut, als der heute 46-Jährige ab Oktober 2016 mehrere Monate durch das ganze Land tourte, Hände schüttelte, Reden hielt und mit den Menschen sprach. Die lange Reise war ein Prozess der Selbstheilung. Kurz zuvor hatten seine Freunde und Genossen ihn gezwungen, den Parteivorsitz bei den Sozialisten niederzulegen.

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Es war die schlimmste Erfahrung seines Lebens, weit demütigender als die beiden Wahlniederlagen, die er zuvor gegen den Konservativen Mariano Rajoy erlitten hatte. Sturköpfig, so schien es damals, weigerte er sich, der Parteidisziplin zu folgen und eine Minderheitsregierung Rajoy zu dulden. «Ein Nein ist ein Nein», so sein berühmtester Satz. Um sich selbst treu zu bleiben, legte er sein Abgeordnetenmandat nieder. Danach musste er sich beim Arbeitsamt erwerbslos melden. Seine Frau Begoña Gómez, mit der er zwei Töchter hat und die ihn bei der politischen Achterbahnfahrt stets unterstützte, war es damals, die den Familienunterhalt als Marketingexpertin bestritt.

Ausgerechnet dieser Mann, dessen politische Karriere am Ende schien, hat es nun aus dem Stand zum siebten Ministerpräsidenten in der Geschichte der spanischen Demokratie geschafft. «Pedro Sánchez’ zweimalige Auferstehung», zollten ihm spanische Medien Beifall. Das erste Wunder war seine Wiederwahl zum Generalsekretär der Sozialisten im Juni 2017. Das zweite Wunder geschah vor zwei Wochen, als es Sánchez mit seiner verhältnismässig kleinen Fraktion von nur 84 Abgeordneten gelang, Abgeordnete von sieben weiteren Parteien im Parlament hinter sich zu bringen, um Rajoy mitten in der Legislaturperiode aus dem Amt zu jagen.

Sánchez stammt aus einer gutbürgerlichen Familie, sein Vater Pedro war Leiter der staatlichen Akademie für Dramaturgie, seine Mutter Magdalena Beamtin bei der spanischen Sozialversicherung. Magdalena war eine begeisterte Anhängerin von Spaniens erstem sozialistischem Ministerpräsidenten Felipe González, was sich auf ihren Sohn übertrug. Als González im Jahr 1993 zum vierten Mal die Parlamentswahlen gewann, trat Sánchez dem Jugendverband der Sozialisten bei. 21 Jahre war er damals alt. Während seiner Schulzeit in der staatlichen Schule Ramiro de Maeztu schloss er sich der Handballmannschaft an und war aufgrund seiner Grösse von fast 1,90 Metern recht erfolgreich. «Dort habe ich gelernt zu kämpfen, bis der Schiedsrichter den Schlusspfiff macht», schrieb er in seiner Biografie.

Sein politischer Werdegang führte den promovierten Wirtschaftswissenschafter nach New York, Brüssel und Sarajevo. Einer seiner Förderer war der Diplomat Carlos Westendorp, der mehrere Jahre spanischer Botschafter bei den Vereinigten Nationen war, bis ihn die Uno zum Hohen Repräsentanten der Staatengemeinschaft in Bosnien und Herzegowina machte.

Im Jahr 1999 kehrte Sánchez nach Spanien zurück und wurde bald als Wirtschaftsberater in den Parteiapparat integriert. Ins Parlament kam er zunächst nur als Nachrücker. Doch über die bescheidenen Anfänge spricht heute niemand mehr. Sánchez sei ein Comeback-Kid, sagen seine Freunde stolz. Er habe ein untrügliches Gespür dafür, wann seine Chancen gut stünden, um einen Ball tatsächlich ins Tor zu bringen. Den Beweis hat Sánchez vor wenigen Tagen erbracht.